Selten liegen unbändige Faszination und schwer kalkulierbare Risiken so dicht beieinander, wie auf der Wanderung zu den Brufjellhålene – den mittlerweile weltweit populären Gletschertöpfen knapp über der Meereslinie bei Åna-Sira in Südnorwegen. Nach einem anspruchsvollen, teils riskanten Abstieg von den Klippen des Brufjell erreicht man die Grotten, die auf unnachahmliche Weise die unbändige Kraft des Wasser demonstrieren.
Knapp 40.000 Besucher machen sich jährlich auf den Weg in das Brufjell, um selbst einmal den bekannten Blick aus den markant geformten Felsöffnungen der Brufjellhålene zu erleben und das berühmte “Tropfenbild” aufzunehmen. Ein Unterfangen, dass (leider) offenbar nicht ganz ungefährlich ist. Dabei geht es nicht nur um den fast halsbrecherischen und berühmt-berüchtigten Abstieg von den Hochklippen zum Meer, sondern auch um weitere Gefahren, wie plötzliche Steinschläge, die wir auf unserer Wanderung selbst erlebt haben.
Das tödliche Unglück eines polnischen Pärchens im Frühjahr sowie der Todesfall eines Wanderers im August 2024 bestätigen diese Einschätzung leider auf tragische Weise. Das möchten wir fairerweise vorausschicken und so dazu animieren, im Vorfeld der eigenen Reiseplanung diese (auch wetterabhängigen) Risiken genau abzuwägen und zu hinterfragen – zumal es vergleichbare Formationen gibt, die deutlich einfacher zu erreichen sind und auf die wir im unten folgenden Info-Kasten verweisen.
In jedem Fall sind wir bewusst in den Abendstunden aufgebrochen, um in dem Areal und insbesondere auf den Kletterpassagen weitestgehend alleine unterwegs zu sein. Zudem versprach die gewählte Zeit besseres Licht und eben einen entspannten Genuss in dieser herrlichen Küstenlandschaft, den wir nachfolgend ausgiebig mit euch teilen (wollen).
Anfahrt und Ausgangspunkt der Wanderung zu den Brufjellhålene
Die Anreise erfolgt aus allen Richtungen zunächst über die imposante Küstenstraße Fv44 – auch bekannt als Teil der populären Touristenroute Nordsjøvegen. Dieser sollte man ohnehin auf einer Reise entlang der Highlights in Südnorwegen folgen. In einer Kehre unweit der Ortschaft Åna-Sira erreicht man einen Abzweig auf eine schmale Nebenstraße nach Roligheten.
Roligheten bietet zwei unterschiedliche Optionen zum Parken: Der erste Parkplatz – zugleich Wohnmobil-Stellplatz – liegt an der alten Schule von Åna-Sira. Der zweite und eigentliche Wanderparkplatz befindet sich hingegen näher am Startpunkt der Wanderung, direkt zu Beginn der Siedlung Roligheten. Unabhängig des gewählten Parkplatzes muss man zunächst immer zu Fuß der schmalen Asphaltstraße durch Roligheten bis zum eigentlichen Startpunkt der Wanderung folgen, da es dort, in der eng bebauten Ortslage keine Parkmöglichkeiten gibt.
Da wir ohnehin erst zum Abend aufbrechen wollen, die Nacht daraufhin hier verbringen werden und der Wanderparkplatz vor Roligheten belegt ist, entscheiden wir uns für den Wohnmobil-Stellplatz an der ehemaligen Schule. Von hier aus ist es nur eine kurze und herrliche Tour mit unseren Fahrrädern bis zum Ausgangspunkt der Brufjell Wanderung.
Gegen 16.30 Uhr stehen wir schließlich vor der informativen Hinweistafel am anderen Ende von Roligheten und beginnen unsere Wanderung.
Rundwanderung im Brufjell
Neben den populären Brufjellhålene hat die Felsenküste des Brufjell noch viele weitere spektakuläre Highlights zu bieten. Auf der Übersichtskarte am Beginn der Wanderroute sind diese ebenso wie die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade der Wegstrecken eingezeichnet. Rot, blau, schwarz sind die einzelnen Etappen daher markiert und versprechen so eine durchaus abwechslungsreiche, aber offensichtlich nie ganz einfache Wanderung.
Wir entscheiden uns den gesamten Rundweg gegen den Uhrzeigersinn zu gehen, um die Brufjellhålene als letzte Attraktion zu erreichen. Nach einem ersten, in Norwegen nahezu obligatorischen Aufstieg durch ein Waldstück, öffnet sich bereits erstmals der Blick über die Küste bis hin zum Horizont.
Abstecher zum Aussichtspunkt Oddan
Hier gabelt sich an einem Wegweiser der Weg und man hat die Chance auf einen 300 Meter langen Abstecher zum Aussichtspunkt Oddan. In norwegischen Karten ist diese Landzunge mit einem kleinen Leuchtfeuer als Vardan ausgezeichnet – einmal mehr ein Beleg unterschiedlicher Ortsbezeichnungen durch die verschiedenen norwegischen Dialekte.
Wir entscheiden uns für diesen Abstecher. Nach einer kurzen und einfachen Etappe erreichen wir das Leuchtfeuer Oddan. Die Aussicht über das offene Meer und die umliegende Küstenlandschaft ist einfach betörend. Doch quasi als Bonus gibt es noch einen seltenen Blick aus dieser Perspektive in die Bucht Sandvika. Unter uns bricht sich die Brandung des azurblauen Meeres an den Abermillionen runder Steine, die den Strand der Sandvika zieren. Phänomenal.
Geheime Grotte in der Bucht Sandvika
Die Bucht Sandvika ist auch unser nächstes Ziel und nach einigen ersten herausfordernden Wegabschnitten folgen wir schon bald dem gut erkennbaren Pfad hinab zum Strand. Ein weiteres Wunderwerk der Natur. All diese rund gespülten, sanft wirkenden Steine, die von der Brandung wie Spielbälle bewegt werden und dabei ein unnachahmliches Rasselgeräusch verursachen.
Hier, irgendwo in der Bucht, soll es eine weitere, aber bewusst nicht ausgezeichnete oder markierte Meeresgrotte geben. Nach einigem Umherirren finden wir den versteckten Zugang und verstehen nach dem mehr als abenteuerlichen Einstieg zugleich, warum um diese Grotte ein regelrechtes Geheimnis gemacht wird – ein Geheimnis, dass wir aus diesem Grund ebenfalls wahren wollen. Wir hoffen dahingehend auf euer Verständnis
Noch regelrecht berauscht von diesem unvorstellbaren Farbenspiel der Natur und den Eindrücken zwischen den furchteinflössend engen Felsen oberhalb der Grotte steigen wir wieder zum ursprünglichen Rundweg auf. Dort setzen wir unsere Wanderung fort, die auf den nächsten gut 700 Metern durch die offene Landschaft über den Klippen führt.
Felsige Abschnitte mit einigen Kletterpartien wechseln sich immer wieder mit sumpfigen, teils morastigen Teilstücken ab. An einigen herausfordernden Passagen erhält man hier einen ersten Vorgeschmack auf den bevorstehenden Abstieg zu den Brufjellhålene. Jedoch wird man regelmäßig mit unwiderstehlichen Ausblicken über das Meer für jeden Schritt und jeden Höhenmeter belohnt.
Wir hoffen, dass unsere Bilder zumindest einen ungefähren Eindruck dieser Route vermitteln können …?!?! Gegen 19.00 Uhr erreichen wir die Weggabelung, wo der Abstieg zur Wasserlinie und damit zu den Brufjellhålene beginnt.
Die Wanderung im Brufjell und zu den Brufjellhålene ist eine unvergessliche Erfahrung, aber sie ist auch anspruchsvoll und birgt einige Gefahren. Besonders der Abstieg zu den Gletschertöpfen ist steil und erfordert Klettererfahrung. An der steilsten Stelle helfen Steigeisen im Fels beim Abstieg, aber der Weg ist bei nassem Wetter extrem rutschig und gefährlich. Wir empfehlen diese Wanderung NUR bei trockenem Wetter und für Menschen, die schwindelfrei und trittsicher sind. Kinder unter 10 Jahren sollten diesen Abschnitt meiden, und Hunde sind nur dann sicher mitzunehmen, wenn sie in einem Rucksack getragen werden können.
Ein weiteres Risiko besteht in der Nähe der Gletschertöpfe selbst. Diese befinden sich auf einer schmalen Plattform direkt über dem offenen Meer, wo starke Strömungen und hohe Wellen eine ernste Gefahr darstellen können. Ein Sturz ins Wasser ist hier lebensgefährlich. Daher ist höchste Vorsicht geboten.
Abstieg zu den Gletschertöpfen Brufjellhålene
Einige Höhenmeter unter uns ist noch ein weiteres Pärchen beim Abstieg auszumachen – ansonsten sind wir weit und breit alleine unterwegs. An einer Felswand verdeutlicht ein Hinweisschild nochmals die Gefahren der Etappe, die nun vor uns liegt.
Diese erscheint zunächst jedoch nur wie ein weiterer “spannender” Weg in Norwegen, etwas steinig und steil, dennoch mit etwas Erfahrung und dem richtigen Schuhwerk gut zu gehen. Irgendwann wird die Schlucht enger und um uns herum ist nur noch Stein. Steinerne Felswände, Steinbrocken die den Weg versperren, Geröll und wir mitten drin.
Hier beginnt an einer steilen Felswand eine der ersten, berühmt-berüchtigten Kletterpassagen. Eiserne Bügel sind in die Felswände eingelassen und bieten Händen als auch Füßen einen erstaunlich guten Halt. Zusätzlich kann man sich an Stahlseilen festhalten, sodass diese Abschnitte für geübte Wanderer und Menschen ohne Höhenangst durchaus zu überwinden sind.
Dennoch sind wir froh, dass wir die nötige Zeit und Ruhe haben, um unserem eigenen Rhythmus zu folgen und nicht ständig Jemanden ausweichen zu müssen. So benötigen wir für den Abstieg über eine Distanz von etwa 300 Metern zwar eine halbe Stunde – kommen aber gut und sicher auf dem Felsplateau über dem Meer an.
Brufjellhålene – Wunderwelt aus Stein
Geschafft! Stolz und erleichtert erreichen wir die Gletschertöpfe. 20.000 Jahre sind sie alt – entstanden in der letzten Eiszeit durch die Kraft von Eis und Meerwasser. Ein imposantes Monument urgewaltiger Kräfte, vor dem wir förmlich erstarren.
Das andere Pärchen beendet gerade seine hier obligatorische Fotosession. Ein kurzes, zunächst auf Norwegisch und dann Englisch geführtes Gespräch endet – mal wieder – in der lustigen Erkenntnis, dass sie ebenfalls aus Deutschland stammen. Wir verabschieden uns nach einem netten Plausch und sind nun, im herrlichen Abendlicht ganz allein hier unten.
Es ist schaurig schön, fast etwas surreal. Wir wissen von den tödlichen Unfällen, wir erahnen die gewaltigen Kräfte vor tausenden Jahren, wir spüren in jedem Muskel diese Wanderung und dennoch blicken wir auf ein paradiesähnliches Panorama. Das Meer liegt friedlich vor uns und wir kosten diesen Augenblick intensiv aus. Einfach herrlich.
Der größte Gletschertopf, wo die bekannten “Tropfenbilder” (siehe Titelbild) entstehen, liegt am weitesten östlich, also ganz außen. Es soll bereits enttäuschte Wanderer gegeben haben, die diese Grotte dort nicht gefunden oder vermutet haben.
Nach unserer eigenen Fotosession und einer langen Pause geht es nun wieder an den Aufstieg. Dieser erscheint uns nun deutlich einfacher, auch wenn ein Abgang loser Steine über uns für einen Schreckensmoment sorgt.
Rückweg zum Ausgangspunkt der Wanderung
Wir folgen dem Rundweg weiterhin entgegen dem Uhrzeigersinn. So erreichen wir noch den höchsten Punkt im Brufjell mit einer Varde, von der sich ein gewaltiger Ausblick bis zum Leuchtturm von Lista bietet. Ansonsten müssen wir uns nun sputen, denn wir möchten auf diesem Weg ungern im Schein unserer Stirnlampen zurückgehen (müssen).
Der Wegteil im Landesinneren erscheint uns deutlich einfacher und zudem abwechslungsreicher. Buschwerk, niedrige Bäume in einigen Senken und dazwischen die unvermeidlichen Passagen über einige Felsen – so kommen wir gut voran und erreichen im letzten Tageslicht wieder den Ausgangspunkt dieser unvergesslichen Tour.
Fazit zum Brufjell und den Brufjellhålene
Unsere Wanderung zum Brufjell und den Brufjellhålene zählt sicherlich zu den Highlights unserer Reise durch Südnorwegen. Die Kombination aus steilen Aufstiegen, spektakulären Aussichten, spektakulären Plätzen und den faszinierenden Gletschertöpfen macht diese anspruchsvolle Tour zu einem ganz sicher unvergesslichen Erlebnis für diejenigen, die diese Herausforderung annehmen.
Dennoch sitzen wir nach der Rückkehr in unserem Kastenwagen, irgendwie stolz, irgendwie geschafft, irgendwie nachdenklich: Kann und darf man solche Wanderungen überhaupt publizieren, geschweige denn empfehlen …?? Seid ihr schon einmal diese Wanderung gegangen? Wie sind eure Erfahrungen und was meint ihr dazu?
Karte, Fakten und GPX Daten der Brufjell & Brufjellhålene Wanderung
- Hier findest du eine Übersicht zu den Einstufungen und Kriterien der Schwierigkeitsgrade in Norwegen.
- Wohnmobil-Stellplätze in der Nähe: Brufjell Hostel & Parking oder alternativ am Sportplatz in Åna-Sira. Die Stellplätze bieten nicht viel Komfort, jedoch eine Entsorungsstation sowie Frischwasser und sind teilweise mit Strom ausgestattet.
- Achtung! Kein Handyempfang auf der Tour.
- Es gibt unterwegs keine Möglichkeit zur Aufnahme von frischem Trinkwasser.
- Vorsicht bei den Höhlen: Es gibt keine Sicherung, man steht nur auf einen Felsvorsprung – ein Sturz ins Meer ist durch die Brandung und Meeresströmung lebensgefährlich!
- Alternativen zu dieser Tour: Gletschertöpfe und Grotte Nesvåghålo bei Sogndalstrand
Literaturtipps für deine Reise nach Norwegen
Equipment für die perfekte Wanderung
- Die passende Wanderausrüstung gibt es bei: GLOBETROTTER | BERGZEIT
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